Anmerkungen zu den Septemberwahlen
Überschwängliche Jubelgesänge hören sich anders aus. Bei der „Wahlparty“ der Wählergemeinschaft Göttinger Linke am Abend der Kommunalwahlen am 12. September und mehr noch beim Anschauen der Ergebnisse der Bundestagswahlen vom 26. September kam wenig Freude auf. Das gilt für die Partei „Die Linke“ wie für die Kommunistinnen und Kommunisten im Kreis Göttingen.
Am ehesten lassen sich die Kommunalwahlergebnisse wohl unter der Überschrift „Stabilisierung auf niedrigem Niveau“ zusammenfassen: Die Zahl der Sitze der Wählergemeinschaft bzw. der Partei „Die Linke“ im Stadtrat und im Kreistag hat sich nicht verändert. Einzelne Lichtblicke wie der erstmalige Gewinn eines Gemeinderatsmandats in Gleichen hellen das Bild auf, das an anderen Stellen eher von Enttäuschungen geprägt war – wie die fehlende Verwandlung der kämpferischen Arbeit und guten Wahlkampfstimmung im Stadtteil Grone in zusätzliche Stimmen und das erhoffte zweite Mandat im Ortsrat.
Wahlen sind auch deshalb nützlich, weil sie uns alle einen recht zuverlässigen Gradmesser für die eigene Verankerung und die Ausstrahlung unserer Ideen in der Bevölkerung vermitteln. Das gilt nicht nur für die Kommunalwahlen, sondern galt in diesem Jahr auch für die Bundestagswahlen. „Die Linke“ hat schwer einstecken müssen und ist mit 4,9 Prozent nur dank des Gewinns von drei Direktmandaten in Berlin und Leipzig gerade so noch einmal in den Bundestag getorkelt.
Rechte Bundestagsmehrheit kommt nicht zum Tragen
Einen historischen Verdienst können sich die Linken aller Schattierungen wenigstens zugute halten: Auch dank unserer beständigen Arbeit wagt sich bis heute (abgesehen von dem Thüringer Zwischenspiel) niemand von den etablierten Parteien an eine Koalition mit der AfD. Dennoch ist klar: Die neue Bundesregierung, die vermutlich aus SPD, Grünen und FDP gebildet wird, wird im Parlament vor allem von rechts unter Druck geraten.
Dies erhöht die Verantwortung aller linken Kräfte im außerparlamentarischen Raum, von hier aus Druck auf die neue Bundesregierung zu machen. Leicht wird das nicht.
Zum Ergebnis der DKP
Die Genossinnen und Genossen der DKP gehen nach diesen Wahlen nicht in Sack und Asche. Bundesweit haben sie 4000 Zweitstimmen gegenüber den letzten Wahlen hinzugewonnen – aber es bleibt ein Ergebnis von dürren 15.158 Stimmen und einem Zugewinn vor allem dadurch, dass es ihr gelungen ist, in mehr Ländern als vor vier Jahren auf dem Wahlzettel zu stehen. In der amtlichen Wahlstatistik reicht das noch nicht einmal für eine Zahl hinter dem Komma. Das sieht für Göttingen ein klitzekleines bisschen anders aus: Hier gab es für die Erststimmenkandidatur immerhin 329 Stimmen und 0,2 Prozent. Das Ziel dieses Antritts, Menschen, die sich in der Traditionslinie Marx-Lenin-Luxemburg sehen, die Möglichkeit zu geben, ihr Kreuz ohne inneres Bauchgrimmen zu setzen, ist damit erreicht. Insofern war der Wahlantritt richtig und das Ergebnis ist keine Niederlage. Vor allem freuen wir uns über einige Menschen, die ihr Interesse an einer künftigen Mitarbeit bei den Kommunistinnen und Kommunisten geäußert haben. Wenn dadurch die Kräfte, die jetzt außerparlamentarisch Druck machen, stärker werden, haben sich die Anstrengungen der letzten Wochen gelohnt.
Weg des Widerstands
Das wird auch bitter nötig sein. Bei Redaktionsschluss standen weder der Kanzler noch sein Regierungsprogramm fest. Soviel aber ist sicher: Hoffnungen auf fortschrittliche Politik von oben sollte sich hier unten niemand machen. Schon jetzt frisst sich die Inflation in die Geldbörsen von Schlechtverdienern, Studierenden, Arbeitslosen und Rentnern. Die vielbeschworene „Klimawende“ wird vor allem von Großkonzernen und Besserverdienenden genutzt werden, sich Steuermittel für jeden neuen Akku und jede neue Tesla-Ladestation unter den Nagel zu reißen und eines scheint den neuen Koalitionären unantastbar: Die weitere Erhöhung des Rüstungsetats und die ungebrochene Hetze gegen Rußland und China.
Dagegen gilt es in den kommenden Jahren den Widerstand zu organisieren – auf den Straßen, an Schulen und Hochschulen, in den Kommunalparlamenten und wo möglich in den Betrieben. Die Dämpfer aus den Kommunal- und den Bundestagswahlen könnten uns allen helfen, gemeinsam Wege zu suchen, um diesen Widerstand gegen den zu erwartenden klimapolitisch verbrämten Sozialabbau und die Aufrüstung zu entfalten. Dann könnten die ernüchternde Ergebnisse dieser beiden Septemberabenden noch ihr Gutes haben.