Göttingen zwischen Sparen und Profiten

Göttingen taucht in der bundesweiten Berichterstattung selten auf. Letztes Jahr waren wir wegen der legendären „Wels frisst Schildkröte“-Geschichte und dieses Jahr wegen der „Oben Ohne für Alle“-Aktion an Wochenenden in den Schwimmbäder in den nationalen und internationalen Medien. Dagegen dürften die Sparmaßnahmen in Göttingens Bäder kaum relevante mediale Aufmerksamkeit erhalten, weil es nichts Besonders mehr ist. Vor allem angesichts der Tatsache, dass Sparen ein neuer Volkssport geworden ist. Die Temperaturen in den Göttinger Bädern wurden im April gesenkt. Die Sauna-Landschaft in der Eiswiese wurde bereits in August teilweise geschlossen. In der Diskussion ist eine vollständige Schließung der Bäder in Göttingen.

Für viele wird die Sparpolitik weder freiwillig sein noch ein Akt der vermeintlichen „Solidarität“. Angesichts drohender Verdreifachung der Heizungskosten für die privaten Haushalten beginnt der Autor dieser Zeile auch seine Gedanken über weitere kluge Reduktion der Gasverbrauch in der Mietwohnung zu machen, außerdem habe ich mir bereits vor Monate elektrische Heizung besorgt. Denn ich habe kein Bock auf Schimmel, feuchte Wohnung und erkältete Kinder mit Asthma.

Die steigende Heizungskosten, steigende Sprit- und Lebensmittelpreise bereiten Millionen von Menschen ernsthafte Sorgen und bedeuten schon jetzt, noch vor der Umsetzung der Gasumlage, einen massiven Verlust an Lebensqualität für viele.

Gespart wird überall, ob im Privaten, im öffentlichen Raum oder bei der Arbeit, in Schule und Uni. Dieser Sparpolitik steht das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung in Höhe von 100.000.000.000 € entgegen. An der Rüstung soll nicht gespart werden.

Die Korken dürften bei den Rüstungsfirmen seit Februar 2022 ständig fliegen. Die Aktien des bayerischen Konzerns Hensoldt stiegen um 112% und unweit von uns stiegen die Aktien der Kasseler Rheinmetall um „nur“ 64%.

Aber nicht nur die großen Firmen sind Profiteure des Krieges im Osten. Auch die aus unserem Landkreis stammende Rüstungsfirma „Kappa optronics GmbH“ in Gleichen gehört sicher zu den Kriegsgewinnlern. Kappa hat neben der „Defense Business“-Sparte auch eine zivile Sparte im Bereich Auto, Zug oder Schiff. Das Unternehmen hatte vor Kriegsbeginn über 100 Mitarbeiter und gehört zu den Kompenenten-Zulieferern im Bereich der Kriegsindustrie.

Kappa ist ein Spezialist für integrierte Kamerasysteme und spielt mit bei den großen Spielern der Rüstungsindustrie. In Juni verkündete die Firmenleitung stolz ihren Zuschlag für das Großprojekt von Airbus zur Herstellung der modernsten Drohnen Europas. Drohnen sind eine der zentralen Waffensysteme der modernen Kriegsführung. Kurz danach, ebenfalls im Juni, wurde die Übernahme der bayerischen Firma „Schmid Engineering GmbH“ durch Kappa bekanntgegeben. Stellenabbau ist nicht geplant, stattdessen Stellenaufbau und Expansion nach Madrid, Spanien. Die Übernahme fand bereits zum ersten Mai 2022 statt.

Diese offensichtlich steigenden Gewinne mildert die „großzügige“ Spende von Kappa an ukrainische Flüchtlinge in Höhe von 1324 € keineswegs. Wenn bald mit europäischen Drohnen Menschen überall in der Welt umgebracht werden, dann hat auch die unauffällige kleine Firma in Gleichen bei Göttingen mitverdient. Kriege beginnen hier und wir bezahlen Sie mehrfach. Wir bezahlen einmal mit erzwungenen Sparmaßnahmen, weil wir uns die Heizung nicht mehr leisten können oder z.B. durch Bäderschließungen unsere Freizeitmöglichkeiten eingeschränkt werden. Und wir zahlen sie durch kommende Kürzungen im Sozialsystem und bei der nächsten Runde Steuergeschenke an die Reichen. Wir bezahlen Sie erst recht, wenn wir und unsere Kinder für die Profite der Konzerne in den Krieg geschickt werden sollten.

Jeder Forderung nach Entlastung der unteren und mittleren Einkommen (z.B. 9-Euro-Ticket als Projekt der Grünen) muss die Frage gestellt werden, wer am Ende diese „Wohltätigkeiten“ bezahlen soll. Wenn die Kriegs- und Krisengewinner, die nicht nur in der Rüstungs- und Mineralölindustrie zu finden sind, nicht zur Kasse gebeten werden, dann zahlen wir am Ende selbst.