Am 18. Mai berichtete das „Göttinger Tageblatt“ über eine am Vortag durchgeführte Debatte im Niedersächsischen Landtag zu den rasant steigenden Lebenshaltungskosten, die dem Artikel zufolge inzwischen 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger „als größte Sorge“ betrachten. Offiziell lag die Preissteigerungsrate im April bei 7,4 Prozent. Landeswirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hielt es angesichts „rasant ansteigender Preis im Großhandel“ für „denkbar“, daß die Inflation „in den kommenden Wochen” auf bis zu 12 Prozent ansteigen würde.
Bereits jetzt – also bei rund 7 Prozent – würde der durchschnittliche Haushalt mit zusätzlich 240 Euro monatlich belastet werden. Die einfache Dreisatzrechnung besagt, daß dies monatlich bei 12 Prozent Inflation dann rund 410 Euro wären, die gerechnet in Geldwert von 2021 fehlen würden.
Diese Zahl sollten wir im Hinterkopf behalten, um die im letzten Monat mit großer medialer Wirkung verkündeten „Entlastungspakete“ des Bundes richtig einzuordnen. Professor Franz Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg wies bei der Debatte um diese Gesetze darauf hin, dass in der Spitze eine Familie mit zwei Kindern auf eine Entlastung von gerade mal 900 Euro im Jahr käme, Alleinerziehende mit einem Kind auf weniger als die Hälfte dieser Summe und Ledige ohne Kinder auf maximal 345 Euro. Die „Pakete“, die mehr Päckchen sind, reichen für eine vierköpfige Familie also gerade zwei Monate, um die vom niedersächsischen Wirtschaftsminister für „denkbar“ gehaltene Inflation auszugleichen. Aber mehr noch: Was der Staat mit großer Geste in eine Tasche solcher Familien hineinsteckt, nimmt er aus der anderen wieder heraus. In den kommenden vier Jahren, verkündete der „Arbeitskreis Steuerschätzung“ Mitte Mai, sei mit Mehreinnahmen von 220 Milliarden Euro für Bund, Länder und Gemeinden zu rechnen – allein 17 Milliarden mehr für den Bund für dieses Jahr gegenüber den bisherigen Berechnungen, 19 Milliarden für die Länder und 5 Milliarden für die Kommunen. Zu einem erheblichen Teil resultieren diese Mehreinnahmen aus den dank Inflation steigenden Mehrwertsteuereinnahmen, die übrigens auch die mit berappen müssen, die bei den Entlastungspäckchen leer ausgehen wie zum Beispiel Rentnerinnen und Rentner oder Studierende. Für den Bund deckt die Mehreinnahme ziemlich exakt die Kosten für die beschlossenen Maßnahmen. Ihn kostet also die sogenannte Entlastung seiner Bürger unter dem Strich nix. Die Länder streichen die künftigen Mehreinnahmen ohne Ausgleichsmaßnahmen ein.
Die Menschen, die jetzt von Markenprodukten auf Hausmarken der Discounter umsteigen oder von Rind- auf Schweinefleisch und demnächst von Schweinefleisch auf Kartoffeln, müssen sich vorkommen wie bei einem Wettrennen zwischen Hase und Igel: Wenn sie die „Tagesschau“ ausschalten, die ihnen Entlastungen verkündet hat, sind beim nächsten Einkauf die Preise schon so gestiegen, daß das scheinbar gewonnene Geld schon wieder weg ist, bevor es das eigenen Konto erreicht hat.
Die Regierung der Besserverdienenden aber bleibt unbeirrt auf Wirtschaftskriegs-Kurs gegen Russland. Die Preissteigerungen vor allem im Energiesektor werden als Kollateralschaden für den Stopp des Kaufes russischer Gas-, Kohle- und Öllieferungen in Kauf genommen.
Was tun? Ein erster Schritt wäre es, die unten angefügte DKP-Kampagne zu unterstützen:
https://www.openpetition.de/petition/online/gesetzlicher-energiepreisstopp-jetzt